Grundlegende Prinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für faire Anwerbung
(1) Die Anwerbung sollte so erfolgen, dass international anerkannte Menschenrechte, einschließlich der, die in den internationalen Arbeitsstandards dargelegt sind, und insbesondere das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen sowie die Verhinderung und Beseitigung von Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf respektiert, schützt und erfüllt werden.
(2) Die Anwerbung sollte den Anforderungen etablierter Arbeitsmärkte entsprechen und nicht als Mittel der Verdrängung oder Minderung bestehender Arbeitskräfte, der Verringerung der Arbeitsstandards, von Löhnen oder Arbeitsbedingungen dienen oder anderweitig menschenwürdige Arbeit gefährden.
(3) Angemessene Rechtsvorschriften und Richtlinien zur Beschäftigung und Anwerbung sollten für alle Arbeitnehmer, Personalvermittler und Arbeitgeber gelten.
(4) Bei der Anwerbung sollten Richtlinien und Praktiken berücksichtigt werden, die die Effizienz, Transparenz und den Schutz von Arbeitnehmern während des Prozesses berücksichtigen, wie gegenseitige Anerkennung von Fähigkeiten und Qualifikationen.
(5) Die Regelung der Beschäftigungs- und Anwerbungsaktivitäten sollte klar und transparent und effektiv durchgesetzt werden. Die Aufgabe der Arbeitsaufsichtsbehörde und die Nutzung standardisierter Registrierungs-, Genehmigungs- oder Zertifizierungssysteme sollte hervorgehoben werden. Die zuständigen Behörden sollten spezielle Maßnahmen gegen betrügerische und missbräuchliche Anwerbungsmethoden ergreifen, einschließlich der, die zu Zwangsarbeit oder Menschenhandel führen könnten.
(6) Bei der Anwerbung über internationale Grenzen hinaus sollten die geltenden nationalen Gesetze, Vorschriften, Arbeitsverträge sowie geltende Kollektivverträge der Urspungs-, Transit- und Zielländer eingehalten werden, einschließlich der grundlegenden Prinzipien und Rechte am Arbeitsplatz sowie einschlägige internationale Arbeitsstandards. Diese Gesetze und Standards sollten effektiv umgesetzt werden.
(7) Es sollten keine Anwerbungshonorare oder entsprechende Kosten dem Arbeitnehmer oder Arbeitsuchenden berechnet werden oder anderweitig von diesem getragen werden müssen.
(8) Die Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers sollten angemessen, verifizierbar und leicht verständlich angegebenen werden, vorzugsweise durch schriftliche Verträge in Übereinstimmung mit den nationalen Gesetzen, Vorschriften, Arbeitsverträgen und geltenden Kollektivverträgen. Sie sollten klar und transparent sein und die Arbeitnehmer über den Ort, die Anforderungen und Aufgaben der Stelle, für die sie angeworben werden, informieren. Im Falle von Arbeitsmigranten sollten schriftliche Verträge in der Sprache sein, die der Arbeitnehmer verstehen kann, sie sollten rechtzeitig vor Ausreise aus dem Ursprungsland bereitgestellt werden, Maßnahmen zur Verhinderung von Novationsverträgen unterliegen und durchsetzbar sein.
(9) Zustimmungen der Arbeitnehmer zu den Anwerbungsbedingungen sollten freiwillig und ohne Täuschung oder Zwang gegeben werden.
(10) Arbeitnehmer sollten Zugriff auf freie, umfassende und genaue Informationen zu ihren Rechten und den Bedingungen ihrer Anwerbung und Beschäftigung haben.
(11) Die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer innerhalb eines Landes bzw. die Freiheit, ein Land zu verlassen, sollte respektiert werden. Identitätsdokumente und Verträge der Arbeitnehmer sollten nicht beschlagnahmt, zerstört oder zurückgehalten werden.
(12) Arbeitnehmer sollten ihren Arbeitsvertrag frei kündigen und im Falle von Arbeitsmigranten in ihr Land zurückkehren können. Arbeitsmigranten sollten nicht die Erlaubnis ihres Arbeitgebers oder des Vermittlers benötigen, um den Arbeitgeber zu wechseln.
(13) Arbeitnehmer sollten, ungeachtet ihrer Anwesenheit oder des rechtlichen Status in einem Staat, Zugang zu freien bzw. erschwinglichen Beschwerdeverfahren und anderen Streitlösungsmechanismen in Fällen eines vermeintlichen Missbrauchs ihrer Rechte im Anwerbeverfahren haben und effektive und angemessene Rechtsmittel sollten bereitgestellt werden, wenn ein Missbrauch eingetreten ist.
Internationale Arbeitsorganisation (ILO), 2016